Wenn der eigene Hund in unseren Augen schwieriges oder problematisches Verhalten zeigt, möchten wir Menschen das meist möglichst rasch behoben haben.
Wobei die Definition von rasch relativ subjektiv ist. Oftmals zeigen Hunde bereits seit mehreren Monaten oder sogar Jahren das unerwünschte Verhalten, dass wir als TrainerInnen dann, wenn es nicht mehr auszuhalten ist, in einer einzigen Einzelstunde „wegmachen“ sollen.
Fakt ist allerdings, dass Lernen beim Hund immer stattfindet und dabei sowohl gute als eben auch weniger gute Dinge abgespeichert werden, egal ob wir gerade wollen oder nicht. Sprich, der Hund hat bisher schon viele, viele Gelegenheiten gehabt, das (unerwünschte) Verhalten zu üben. Etwas, das bereits sehr lange geübt wurde, ist in der Regel auch schon recht gut gefestigt und daher nicht einfach so um- bzw. abzustellen.
Auf der anderen Seite gibt es Hunde, die in ihrem bisherigen Leben schon sehr viele negative oder aber allgemein kaum Erfahrungen sammeln konnten. Auch hier ist es am wichtigsten, Zeit und Geduld mitzubringen, um den Hund beim Erlernen von Bewältigungsstrategien zu unterstützen und im neuen Leben ankommen zu lassen.
Lernen und Training sind ein komplexes Thema, bei dem es gilt mehrere Aspekte zu betrachten, um ein individuelles Konzept und einen Trainingsplan zu erstellen. Dabei ist auch auf Seiten des Menschen ein Umdenken notwendig. Man sollte sich also von dem Gedanken verabschieden, dass lediglich der Hund etwas in Zukunft nicht mehr machen soll.
Besser ist es, sich folgende zwei Fragen zu stellen:
- Welches Verhalten SOLL der Hund in Zukunft stattdessen zeigen?
- Wie kann ICH ihn dabei unterstützen?
Jetzt gibt es einige Menschen, darunter auch HundetrainerInnen, die ein einziges Schema anbieten und dazu auch noch die vermeintliche Quick & Easy Lösung, quasi auf Knopfdruck, parat haben und versprechen. Da geistern Schlagworte wie „ausschließlich über Körpersprache“, „ganz ohne Leckerli“, „arbeiten ohne Konditionierung“ und ähnliche Aussagen durch das Internet und die Hundeszene. Untermauert wird das Ganze meist noch mit der Aussage, dass es eben viele Methoden und Meinungen im Hundetraining gibt.
Grundsätzlich darf es gerne unterschiedliche Meinungen zu einem Thema geben. Was hier allerdings oft außen vor gelassen wird ist, dass die Lerntheorie immer gleich funktioniert. Und die sagt uns, vereinfacht ausgedrückt: Verhalten, das sich lohnt (aus Hundesicht) wird mehr und Verhalten, das sich nicht lohnt (ebenfalls aus Hundesicht) wird weniger.
Die Grafik zeigt hier sehr anschaulich welche Möglichkeiten wir haben. Die Ausdrücke positiv und negativ sind hier im mathematischen Sinn zu verstehen – sprich es kommt etwas hinzu oder wird weggenommen.
Im modernen, positiven und somit wissenschaftsbasierten Training konzentrieren wir uns vorwiegend auf positive Verstärkung und negative Strafe. Ein Training über positive Strafe sollte niemals das Mittel der Wahl sein. Es ist absolut nicht notwendig um ans Ziel zu kommen und ist in den allermeisten Fällen tierschutzrelevant.
Viele Studien belegen mittlerweile, dass Training über positive Verstärkung, sprich über etwas Angenehmes, am effektivsten und langfristig erfolgreich funktioniert.
Auch und besonders bei Hunden, die aggressives Verhalten zeigen ist dies die einzig sinnvolle Trainingsmaßnahme um eine effiziente und vor allem langfristig verlässliche Verhaltensänderung zu erreichen. Leider hält sich der Glaube, dass besonders auffällige Hunde so nicht trainiert werden können, sehr hartnäckig – welcher durch Fernsehshows oft noch untermauert wird. Wenn man allerdings als Mensch, und besonders als TrainerIn, keine andere Lösung weiß, lässt das eher auf das eigene mangelndes Wissen und Verständnis über Hunde schließen, als das es bei einem gewissen Hund nicht funktioniert.
Wer sagt, dass zuverlässiges Verhalten bei diesem oder jenem Hund nicht ohne Strafe erreichbar ist, sagt nichts über den Hund aus, sondern beschreibt erst einmal seine eigenen Fähigkeiten. – Ute Blaschke-Berthold
Jeder Hund und auch jedes Team ist anders, da gilt es darauf einzugehen und die bestmögliche Lösung für alle Beteiligten zu finden.
Und so unterschiedlich die einzelnen Teams sind, so vielfältig lassen sich Belohnungsmöglichkeiten finden und Training damit gestalten. Ich kann von Futter über Spielzeug bis hin zu Umweltbelohnungen, wie zB. Buddeln oder Wälzen, eine ganze Palette an unterschiedlichen Belohnungen für meinen Hund finden.
Überlegt euch doch einmal eine Top10 Liste für eure Hunde. Mindestens 10 Dinge, die euer Hund besonders toll findet. Achtung, hier geht es nur darum, was der Hund toll findet, nicht ob wir das auch so gut finden. Diese Liste kann man wunderbar für Training nutzen. Vielleicht kann man nicht alles davon exakt so umsetzen, aber oftmals gibt es eine Alternative, die dem gewünschten sehr nahe kommt.
Atlas Liste beinhaltet unter anderem:
- Bälle
- Käse
- Buddeln
- Karotten
- Leberwurst
- Kuscheln
- Jagen
- Leckerli trocken
Diese Liste kann ein Hundeleben lang ergänzt und aktualisiert werden – Vorlieben ändern sich meist mit der Entwicklung und dem Alter.
Um Training also effektiv gestalten zu können, ist es wichtig die Vorlieben und Bedürfnisse seines Hundes zu (er-)kennen. Wenn mein Hund gerade einem Reh hinterher hetzen möchte und er lässt sich tatsächlich abrufen und bekommt dann ein Stückchen Trockenfutter, ist die Wahrscheinlichkeit, dass er beim nächsten Mal wieder kommt geringer. Wenn ich allerdings danach den Ball fliegen lasse und mein Hund kann hinterher hetzen, habe ich eine schöne Alternative, die ich nutzen kann und wo mein Hund sein Bedürfnis zu hetzen ausleben kann.
Nur dann kann Training funktionieren und das Beste daran: es macht Hund UND Mensch Spaß.
Wenn ihr auf der Suche nach einem Trainer seid, lasst euch nicht von reißerischen Phrasen oder Versprechungen verleiten, sondern hört auf euer Bauchgefühl.
Training ist immer Arbeit auf beiden Seiten der Leine. Beschäftigt euch mit dem Thema, seid kreativ mit euren Belohnungen und bringt etwas Geduld mit. Was der Hund monate- oder jahrelang eingeübt oder verpasst hat, kann nicht per Knopfdruck geändert werden.
Dann macht Lernen allen Beteiligten Spaß und es geht viel leichter von der Hand.
Dieser Beitrag erscheint im Rahmen der Blogparade „FAIR statt fies“.
Die BloggerInnen der deutschsprachigen Hundeszene, denen ein fairer, freundlicher und gewaltfreier Umgang mit Hunden am Herzen liegt, veröffentlichen vom 10. Oktober bis zum 13. November 2019 ihre Blogartikel rund um Mensch und Hund.